Ein Trip mit Baby-Dinos

23 ott 2025by Marco Giuoco

Coopzeitung, Andreas Eugster: Publiziert am Donnerstag, 23. Oktober 2025 

Wenn Marco Giuoco stundenlang läuft, verschwimmt die Wirklichkeit – Bilder tauchen auf, die nur im Kopf existieren. Ganz real aber ist seine Geschichte: Er hat einen Hirntumor besiegt und ist mit seiner Hündin Uma von Zeiningen AG bis zu seinem sizilianischen Geburtsort gelaufen.

Marco Giuoco Laufcap - vor (r) und nach den kilometerlangen Strapazen

 

Wer Marco Giuoco begegnet, spürt schnell, dass dieser Mann nicht einfach joggt. Er lebt das Laufen – als Lebensschule, als Grenzerfahrung, als Weg zu sich selbst. Der 60-jährige Fricktaler begann erst mit gut 50 Jahren ernsthaft zu rennen. Damals hatte ihn das Leben bereits geprüft. «2008 wurde bei mir ein Hirntumor diagnostiziert», erinnert er sich. «Ich sass in der Cafeteria des Universitätsspitals Basel und hatte mich innerlich schon verabschiedet.» Doch eine Operation rettete ihn. Der Tumor konnte entfernt werden, das Leben ging weiter – aber anders.

Der Ökonom arbeitete weiter, in leitender Funktion bei einem grossen internationalen Kaffeekonzern, davor als Verkaufschef bei Feldschlösschen. Kampfsport – Karate und Krav Maga – hatte ihn viele Jahre begleitet. Nach dem medizinischen Eingriff suchte er etwas, das sich mit seinem Alltag besser vereinbaren liess. So begann er zu laufen.

Rund die Hälfte der 1600km ist Uma mit ihrem Herrchen mitgelaufen

Vom Marathon zum Ultratrail

Der Anstoss kam von den Kindern: «Nimm doch einmal an einem Marathon teil!» Giuoco winkte ab: «Ich, 50, und plötzlich einen Marathon laufen? Und wenn möglich noch eine Harley kaufen? Das ist was für Bubis, das kann jeder!» Stattdessen meldete er sich spontan für den 100-Kilometer-Lauf von Biel an. Dreizehn Stunden nach dem Start war er im Ziel. Die letzten Kilometer waren hart, aber der Ehrgeiz geweckt. Jahr für Jahr trat er erneut an, jedes Mal etwas schneller. «Man denkt bei diesen Distanzen nie an die ganze Strecke», sagt er. «Man will nur wissen, wo die eigene Grenze liegt.»

Bald folgten Ultratrails in aller Welt. Etwa ein 200-Kilometer-Rennen in Südafrika, das er in 42 Stunden bewältigte – 30 davon mit Gegenwind und Sandsturm. «Solche Erfahrungen machen dich demütig», sagt er. «Man lernt, wie wenig man wirklich braucht. Nahrung, Wasser, Schlaf – alles reduziert sich auf das Elementare.»

Wer täglich über 30km rennt, muss auf Süsses nicht verzichten

Unterstützung aus dem Auto

Im Frühling 2025 verwirklichte er nach seiner Pensionierung ein Vorhaben, das seit Jahren in ihm schlummerte: zu Fuss von Zeiningen AG zu seinem sizilianischen Geburtsort Giardini-Naxos laufen. An seiner Seite: Uma, seine neunjährige belgische Malinois-Hündin. 51 Tage brauchten sie für die rund 1600 Kilometer. «Ich hatte schon mit elf Jahren meinen ersten Hund», erzählt Giuoco. «Aber Uma ist meine erste Hündin – und meine beste Laufpartnerin.»

Begleitet wurde das Duo von Marco Giuocos Lebenspartnerin Sabine (50), seiner dritten Ehefrau. «Die letzten beiden hätten das nie mitgemacht», sagt der Extremsportler mit einem Schmunzeln. Sie folgte der Hündin und ihrem Herrchen mit dem Auto, Etappe für Etappe. Das war eine logistische als auch eine emotionale Unterstützung. «Für unsere Beziehung war es ein Risiko – aber es hat uns stärker gemacht.»

Das Sizilien-Laufabenteuer war auch ein Belastungstest für die eheliche Beziehung

Bis Rom verlief die Route entlang gut markierter Pilgerwege. Danach wurde es schwieriger. Wege endeten plötzlich auf Privatgrundstücken oder im Gestrüpp, oft blieb nur die Landstrasse. «Das wurde zu gefährlich», erzählt er. Uma lief schliesslich etwa die Hälfte der Strecke – rund 800 Kilometer. «Sie hat es genossen, und ich war stolz auf sie.»

Baby-Dinosaurier und Gartenmöbel

Für Giuoco ist das Laufen mehr als Sport. Es ist Philosophie. «Wir leben in einer Komfortzone. Wir müssen kaum kämpfen, um zu überleben. Wenn man aber tagelang unterwegs ist, reduziert sich alles auf das Wesentliche.» Da entdecke man, was wirklich in einem stecke. Nach langen Stunden des Laufens, sagt er, beginne der Kopf zu schweben: «Nach drei, vier Stunden sind alle Alltagsgedanken weg. Dann beginnt eine Reise ins eigene Innere.»

Solche Läufe bringen ihn manchmal an den Rand der Realität. Schlaf gibt es kaum, Halluzinationen sind Teil des Spiels. «Einmal sah ich mitten in der Wüste eine Gartenausstellung – mit Tischen und Stühlen. Da fragt man sich, wie die Leute die Möbel wohl nach Hause transportieren wollen.» Aber auch Baby-Dinosaurier hatte er schon als Laufkumpels. Trotzdem beschreibt er diese Momente als «unglaublich wertvoll». Sie hätten ihn zu wichtigen Entscheidungen geführt – etwa zur Frühpensionierung und zur Gründung eines Start-ups für Hunde-Nahrungsergänzung.

Mit dem Velo in der Sauna

Auf seine Extremrennen bereitet sich Giuoco mit ungewöhnlichen Methoden vor: Veloeinheiten in der Sauna, zweimal wöchentlich, vor grossen Rennen täglich. Durchschnittlich läuft er 65 Kilometer pro Woche, begleitet von einem professionellen Trainer. «Ich bin süchtig danach», sagt er schlicht.

Für 2026 plant er das nächste Abenteuer: den 520 Kilometer langen Tankwa Loop durch die trockenste Wüste Südafrikas. Eine der härtesten Laufherausforderungen des Kontinents. Versorgungsstationen sind rar, die Läuferinnen und Läufer müssen weite Abschnitte selbstständig meistern. Wer hier antritt, sucht keine Medaille, sondern die Konfrontation mit sich selbst – und mit der rauen, stillen Weite der Wüste. Oder kurz gesagt: ein Lauf für Marco Giuoco und seine Baby-Dinos. ■

 


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